Berlins Gastronomen fürchten den Internet-Pranger

Erfasste Mängel bei Hygieneprüfungen sollen sofort veröffentlicht werden. Verbraucherschützer jubeln. Der DEHOGA ist entsetzt.

Berlins Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt (Grüne) will mit dem „Saubere-Küchen-Gesetz“ für mehr Transparenz sorgen: Verbraucher sollen künftig im Internet und an der Restauranttür selbst mithilfe eines Ampelsystems erkennen können, wie es um die Hygiene bei dem betreffenden Gastronom bestellt ist. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist mittlerweile im Senat besprochen worden. In der vergangenen Woche hat sich zudem der Rat der Bürgermeister mit dem Papier beschäftigt. Die Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter der Bezirke sollen ab Januar 2023 die Küchen auf Sauberkeit überprüfen. Behrendt sagte am Mittwoch bei der Sitzung des Ausschusses für Verbraucherschutz im Abgeordnetenhaus, er könne sich vorstellen, dass das Gesetz noch in dieser Legislatur von den Parlamentariern verabschiedet werde.

Doch darüber, wie und wann die Ergebnisse der Kontrollen veröffentlicht werden sollen, ist nun ein Streit entbrannt: Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) in Berlin hatte ursprünglich darauf gedrängt, Gastronomen die Möglichkeit einzuräumen, schlechte Ergebnisse vor Veröffentlichung mit einer Nachkontrolle korrigieren zu können. Doch in dem finalen Gesetzentwurf findet sich eine solche Regelung nicht.

DEHOGA: „Überall, wo gearbeitet wird, können Fehler passieren

Stattdessen sollen Ergebnisse der Kontrollen veröffentlicht werden, sobald das Lebensmittelunternehmen das Transparenzbarometer von den Behörden erhalten hat. Nachkontrollen sind zwar möglich. Sollte dann ein anderes Ergebnis vorliegen, können die Gastronomen das Barometer entsprechend austauschen. Eine gänzliche Pflicht zur Veröffentlichung entfällt aber erst, wenn die zuständige Behörde einer beantragten Nachkontrolle nicht innerhalb von drei Monaten nachkommt.

Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer von DEHOGA in Berlin, ist darüber entsetzt: Lengfelder sagte, er sei im ersten Moment sprachlos gewesen, als er auf Nachfrage bei der Senatsverwaltung erfahren habe, dass Ergebnisse der Kontrollen sofort veröffentlicht werden sollen. „Kein Betrieb hat damit die Chance, Mängel und Missstände zu beseitigen. Das widerspricht den in unseren Gesprächen vereinbarten Regelungen. Und es widerspricht dem gesunden Menschenverstand. Denn überall, wo gearbeitet wird, können Fehler passieren“, erklärte Lengfelder.

Verband hatte ursprünglich getroffene Regelung unterstützt

Dem Dehoga-Hauptgeschäftsführer zufolge habe Senator Behrendt in einem persönlichen Gespräch zugesichert, dem von Dehoga gewünschten Umgang mit der Veröffentlichung von Kontrollergebnissen umzusetzen. Lengfelder verwies zudem auf einen Mailverkehr mit Behrendts Staatssekretärin Margit Gottstein (Grüne). Aus der Korrespondenz, die der Berliner Morgenpost vorliegt, geht hervor, dass Lengfelder noch Ende Oktober des vergangenen Jahres einen Text für das Mitgliedermagazin „hogaAKTIV“ von Gottstein hat abnehmen lassen. Darin findet sich die Formulierung: „Der Gesetzentwurf legt fest, dass jeder kontrollierte Betrieb die Chance erhält, erstmals festgestellte Mängel nachzubessern, bevor die Farbgebung auf dem Barometer erfolgt.“

In dem Beitrag der Mitgliederzeitschrift unterstützte Lengfelder ausdrücklich die Einführung des Hygiene-Transparenzbarometers in der Hauptstadt. Gottstein schrieb in der Mail an Lengfelder, sie freue sich über den positiven Grundton. Über die zu den Nachkontrollen getroffene Formulierung stolperte sie offenbar nicht.

Senatsverwaltung: Erstmalige Veröffentlichung nach der Nachkontrolle sei nicht zugesichert worden

In dem von der Senatsverwaltung erarbeiteten Gesetzentwurf schien die Regelung zu einem Veröffentlichungsaufschub beim Beantragen einer Nachkontrolle zu diesem Zeitpunkt aber schon längst gestrichen worden zu sein: In der zuvor von Dehoga bereits Anfang Oktober übersandten Stellungnahme an die Verwaltung merkt der Verband selbst an, dass unter dem entsprechenden Paragrafen des Gesetzes eine Klarstellung fehlen würde, dass eine Veröffentlichung erst dann erfolgt, wenn eine Nachkontrolle durchgeführt wurde.

Die zuständige Senatsverwaltung für Verbraucherschutz weist auf Anfrage Versprechungen in dieser Sache zurück. Die Dehoga kenne den Gesetzentwurf seit Herbst des vergangenen Jahres. „Eine erstmalige Veröffentlichung nach der Nachkontrolle wurde nicht zugesichert“, sagte ein Sprecher.

FDP fordert faire Chance zur Nachbesserung für Gastronomen

Unterstützung erhalten Berlins Gastronomen von der FDP: Regelmäßige Kontrollen seien ein Muss, sagte der Sprecher der Fraktion für Verbraucherschutzpolitik, Holger Krestel. „Allerdings stellen wir uns aber deutlich gegen das Vorgehen des Senats, dass Kontrollergebnisse unmittelbar im Internet veröffentlicht werden, ohne dass den Gastronomen zuvor die Gelegenheit eingeräumt wurde, festgestellte Mängel unverzüglich zu beseitigen. Wir dulden keine Sofortverurteilungen, sondern fordern eine faire Chance zur Nachbesserung“, so Krestel weiter.

Verbraucherschützer sprechen sich hingegen für den vorliegenden Gesetzentwurf aus: „Die Verbraucherzentrale Berlin begrüßt eine sofortige Veröffentlichung aller, auch negativer Ergebnisse, da nur so verlässliche Transparenz geschaffen werden kann. Schließlich handelt es sich um gesetzliche Anforderungen, die jeder Betrieb bei der Abgabe von Lebensmitteln zu jedem Zeitpunkt erfüllen muss, doch bisher mussten Verbraucherinnen und Verbraucher darauf vertrauen“, sagte Vorständin Dörte Elß. Nun könnten Verbraucher endlich vor dem Besuch eine informierte Entscheidung treffen.

Quelle: Berliner Morgenpost, Beitrag von Dominik Bath