Voraussichtlich ab August: Deutliche Verschärfungen für Arbeitsverträge

Am vergangenen Donnerstag, den 23. Juni 2022, hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung verschiedene Änderungen im Arbeitsrecht, insbesondere im Nachweisgesetz beschlossen. Das Nachweisgesetz schreibt vor, dass bestimmte Mindestinhalte von Arbeitsverhältnissen schriftlich niedergelegt sein müssen. Meist erfolgt dies über den Arbeitsvertrag.

Bisher haben Verstöße gegen das Nachweisgesetz nur geringe Konsequenzen. Sie haben Auswirkungen bei der Beweislast in gerichtlichen Verfahren, ziehen aber keine direkte Sanktion nach sich. Das wird sich jetzt ändern: Fehlen schriftliche Nachweise der wesentlichen Arbeitsbedingungen, stellt das zukünftig eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 2.000 € geahndet werden kann. Der DEHOGA empfiehlt ohnehin immer dringend den Abschluss schriftlicher Arbeitsverträge. Durch die anstehende Rechtsänderung wird dies jetzt noch einmal wichtiger. Das gilt für alle Arbeitsverhältnisse, auch für kurze Aushilfstätigkeiten. Die meisten Angaben müssen dem Arbeitnehmer zukünftig spätestens sieben Tage (bisher: ein Monat) nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden.

Gleichzeitig wird der Katalog der Arbeitsbedingungen, die vom Arbeitgeber schriftlich niedergelegt werden müssen, an verschiedenen Stellen erweitert (dazu weiter unten im Detail). Allen Unternehmen des Gastgewerbes empfiehlt der DEHOGA, ihre Arbeitsvertragsvorlagen und Muster daraufhin durchzusehen, ob sie alle zukünftig geforderten Arbeitsbedingungen enthalten. Auch bei Altverträgen muss ggf. eine entsprechende Ergänzung des Nachweises erfolgen, wenn der Arbeitnehmer dies verlangt.  Viele Angaben in individuellen schriftlichen Nachweisen können auch weiterhin ersetzt werden durch Hinweis auf den anwendbaren Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen. Das gilt z.B. für die Angaben zu Schichtsystem und Pausenregelung, zur Anordnungsbefugnis von Überstunden sowie zur Kündigungsregelung.

Die Änderungen treten voraussichtlich zum 1. August 2022 in Kraft. Zuvor muss allerdings – voraussichtlich am 8. Juli – noch der Bundesrat zustimmen. Hintergrund der Rechtsänderungen ist die Neufassung der EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie im Jahr 2019. Diese muss bis Ende Juli 2022 auch in Deutschland in nationales Recht umgesetzt werden. Die meisten im Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen sind durch die Richtlinie vorgegeben. An verschiedenen Stellen beabsichtigt der deutsche Gesetzgeber allerdings, über die Vorgaben aus Brüssel hinauszugehen. Auf der anderen Seite will Deutschland trotz massiver Kritik der Arbeitgeber nicht die Erleichterungen bei den Formvorschriften nutzen, die die EU-Richtlinie ermöglicht. Es soll weiter strenge Schriftform gelten, das bedeutet ein ausgedrucktes Dokument mit Originalunterschrift, auch für Vertragsänderungen. Das ist in der heutigen Zeit unverständlich, Textform oder digitale Signaturen würden ausreichen.

Der DEHOGA und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hatten im Gesetzgebungsverfahren die bürokratischen Verschärfungen und den dadurch für Arbeitgeber entstehenden Aufwand kritisiert. Für das Gastgewerbe insbesondere vollkommen praxisfremd sind die neuen Vorgaben bzgl. Ruhepausen, Ruhezeiten und Schichtsystem. Die Regelungen sind über das Arbeitszeitgesetz gesetzlich fixiert und werden über die Dienstplangestaltung umgesetzt, eine Vorabfixierung über den Arbeitsvertrag ist praktisch nicht umsetzbar und auch überflüssig. Dass zukünftig auch bei kürzesten Aushilfsarbeitsverhältnissen der volle schriftliche Nachweis geführt werden muss, steht in keinem Verhältnis zur dadurch entstehenden Rechtssicherheit und dem Schutz der Arbeitnehmer. Wir hatten außerdem angeregt, das Bußgeld auf die Fälle zu reduzieren, in denen der Arbeitgeber Informationen trotz Aufforderung nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt.

Die Koalitionsregierung hat in Ihrem gestrigen Beschluss keine einzige der zahlreichen Forderungen und Änderungsvorschläge aufgegriffen, die die Arbeitgeber in der Anhörung am Montag vorgetragen haben.

Die für das Gastgewerbe wichtigsten Änderungen bei den schriftlich nachzuweisenden Inhalten:

  • Falls eine Probezeit vereinbart wurde, muss deren Dauer angegeben werden. Außerdem wurde für befristete Arbeitsverhältnisse festgelegt, dass eine Probezeit „im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen“ muss. Was das bedeutet, ist unklar.
  • Es muss angegeben werden, wenn vereinbart wurde, dass jemand seinen Arbeitsplatz frei wählen kann (mobile Arbeit, „Homeoffice“).
  • Es wird klargestellt, dass die verschiedenen Bestandteile des Arbeitsentgelts einzeln auszuweisen sind. Es ist anzugeben: „die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung“.
  • Die Nachweispflicht bzgl. der Arbeitszeit wird ausgeweitet. Es ist anzugeben: „die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen“. Die Gesetzesbegründung führt dazu aus, dass es sich um generelle Informationen zur vereinbarten Schichtarbeit handele, ein Nachweis über individuelle Schichtänderungen (zum Beispiel aktualisierte Dienstpläne) innerhalb des vereinbarten Schichtsystems sei nicht erforderlich.
  • Bei Arbeit auf Abruf im Sinne von § 12 TzBfG müssen die Angaben in den Nachweis aufgenommen werden, die in der letzten Legislaturperiode in § 12 aufgenommen wurden (u.a. Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden, Ankündigungsfrist). Außerdem muss ein durch „Referenztage und Referenzstunden“ bestimmter Zeitrahmen aufgenommen werden.
  • Die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen müssen angegeben werden.
  • Falls die Arbeitnehmer einen Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung haben, muss dies angegeben werden. Außerdem wird klargestellt, dass Kosten für Pflichtfortbildungen nicht dem Arbeitnehmer auferlegt werden dürfen.
  • Falls es eine betriebliche Altersversorgung gibt, müssen Name und Anschrift des Versorgungsträgers nachgewiesen werden. In der Praxis wird dies allerdings voraussichtlich durch den Versorgungsträger erfolgen; das reicht zur Erfüllung der Nachweispflicht aus.
  • Die Nachweispflicht bzgl. der Kündigungsfrist wird ausgeweitet. Es ist anzugeben: „das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage“. Dabei reicht ausweislich der Gesetzesbegründung der Hinweis auf die gesetzlichen Kündigungsfristen aus, wenn diese gelten. Außerdem wird klargestellt, dass eine verspätet eingelegte Kündigungsschutzklage auch dann verfristet, wenn der Nachweis darauf fehlte.

Die Ausnahme für vorübergehenden Aushilfen von höchstens einem Monat entfällt.