Online-Hygienepranger

Eilantrag von Gastwirt auch im Beschwerdeverfahren erfolgreich - Richter halten Klärung im Hauptsacheverfahren für erforderlich.

 

Eine Verbraucherinformation im Internet zu lebensmittelrechtlichen Verstößen eines Unternehmens greift mit ihrer Prangerwirkung schwerwiegend in die Grundrechte des betroffenen Unternehmers auf informationelle Selbstbestimmung und Ausübung seines Berufs ein. Zudem bestehen Bedenken, ob ein auf § 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) basierender "Internet-Pranger" mit EU-Recht und deutschem Verfassungsrecht vereinbar ist. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg kann ein vom Online-Hygienepranger betroffener Gastwirt deshalb verlangen, dass die Veröffentlichung so lange unterbleibt, bis über deren Rechtmäßigkeit in einem Hauptsacheverfahren entschieden ist.

Mit dieser Entscheidung wies der VGH die Beschwerde des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zurück. Dieses hatte dem Eilantrag eines Gastwirts aus dem Rhein-Neckar-Kreis stattgegeben. In dessen Gaststätte hatte das Landratsamt im vergangenen September lebensmittelrechtliche Verstöße festgestellt. Eine weitere Kontrolle nach einer Woche ergab keine Beanstandungen mehr. Ende Oktober veröffentlichte das Landratsamt auf der Homepage des Rhein-Neckar-Kreises Name, Anschrift und Betreiber der Gaststätte mit dem Hinweis „Mängel bei der Betriebshygiene, ekelerregende Herstellungs- oder Behandlungsverfahren." Später fügte es den Hinweis hinzu: „Nachkontrolle am 20.09.2012: Mängel beseitigt".

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte auf einen Eilantrag hin die Veröffentlichung einstweilen untersagt. Der VGH entschied nun, dass die einstweilige Anordnung zur Sicherung der Grundrechte des Gastwirts auf informationelle Selbstbestimmung und Ausübung seines Berufs geboten sei. Eine Verbraucherinformation im Internet zu lebensmittelrechtlichen Verstößen eines Unternehmens greife mit ihrer Prangerwirkung schwerwiegend in diese Rechte ein. Zwar bestünden keine Zweifel an den vom Landratsamt festgestellten gravierenden Rechtsverstößen. Da die Mängel aber beseitigt seien, sei eine Veröffentlichung zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefahren nicht erforderlich. Die im Eilverfahren gebotene Abwägung der Folgen einer Gewährung oder Versagung vorläufigen Rechtsschutzes falle deshalb zugunsten des Antragstellers aus.

Ob die Grundrechtseingriffe rechtmäßig seien, müsse in einem vom Antragsteller anzustrengenden Hauptsacheverfahren geklärt werden. In Rechtsprechung und Literatur würden allerdings erhebliche Bedenken geäußert, ob § 40 Absatz 1a Nr. 2 LFGB, mit der auch diese Behörde ihren Online-Pranger rechtfertigt, mit EU-Recht und Verfassungsrecht vereinbar sei.

Die vollständige Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtshofs finden Sie hier...

Quelle: DEHOGA compact 4/2012