Mehrwertsteuer - Koalition berät am 18. November 2010 - Wirtschaftsweise fordern vollständige Abschaffung reduzierter Sätze

Mehrwertsteuer - Koalition berät am 18. November 2010 - Wirtschaftsweise fordern vollständige Abschaffung reduzierter Sätze

Kürzlich hieß es noch aus Reihen der Bundesregierung, die Mehrwertsteuerreform sei auf nächstes Jahr vertagt. Nun steht das Thema im Jahr 2010 doch noch einmal auf der Agenda.

 

 

Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte am Montag an, dass die Spitzen von Union und FDP die Frage der reduzierten Mehrwertsteuersätze am 18. November im Koalitionsausschuss behandeln.

Die Finanzpolitiker von CDU und FDP erwägen bekanntlich, die Liste der Güter, auf die der reduzierte Mehrwertsteuersatz angewendet wird, zu überarbeiten und die Vergünstigung auf Lebensmittel, Kultur und öffentlichen Nahverkehr zu beschränken. Die Reform solle dem Vernehmen nach aber nur in Angriff genommen werden, wenn die Ermäßigung für Hotels dabei ebenfalls auf den Prüfstand komme. Hiergegen spricht sich aber insbesondere die CSU aus.

Wirtschaftsweise kritisieren reduzierte Mehrwertsteuer für Übernachtungen

Auch im Herbstgutachten der „Wirtschaftsweisen“ geht es um das Thema der ermäßigten Steuersätze. Die Sachverständigen kritisieren dabei explizit den ermäßigten Steuersatz auf Beherbergungsleistungen und sprechen sich darüber hinaus auch für eine komplette Streichung des ermäßigten Steuersatzes und eine Reduzierung des Regelsatzes auf 16,5 Prozent aus. Im Wortlaut heißt es im Gutachten:

„Als weiteres Reformvorhaben ist eine Reform der Umsatzbesteuerung geplant. Handlungsbedarf wird dabei vor allem beim ermäßigten Umsatzsteuersatz gesehen. In der Tat wäre es sehr zu begrüßen, wenn es zu einer gründlichen Entschlackung des Anwendungsbereichs des ermäßigten Umsatzsteuersatzes käme. Insbesondere ist eine Rücknahme des ermäßigten Steuersatzes auf Beherbergungsleistungen angezeigt. Tatsächlich könnten der ermäßigte Umsatzsteuersatz vollständig abgeschafft und das resultierende Mehraufkommen zur Reduzierung des Regelsatzes der Umsatzsteuer auf etwa 16,5 vH verwendet werden. Mit einem einheitlichen Umsatzsteuersatz wären erhebliche Vereinfachungseffekte und gleichzeitig moderate Effizienzgewinne verbunden. Zwar ergäben sich Umverteilungseffekte zu Lasten der unteren Einkommensgruppen, diese fielen aber so gering aus, dass sie angesichts der Vorteile im Hinblick auf die Vereinfachung und die Effizienz des Steuersystems auch ohne kompensierende Maßnahmen hingenommen werden können…

… Ein besonderer Sündenfall bestand in der Gewährung des ermäßigten Steuersatzes für Beherbergungsleistungen ab dem 1. Januar 2010. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zählt insofern nicht zu den Ruhmestaten der Bundesregierung.“

Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus warnte unter anderem in der Augsburger Allgemeinen vor einer übereilten Reform der Mehrwertsteuer. Er rate davon ab, „jeden Tag ein neues Fass aufzumachen“. Seit dem Sommer regiere man in Berlin ganz gut, weil dort nicht mehr jeden Tag „eine neue Thematik erfunden wird, die dann am nächsten Tag wieder eingesammelt werden muss.“ In diesem Zusammenhang sprach er sich auch gegen eine rasche Abschaffung der reduzierten Mehrwertsteuer für Übernachtungen aus, Berechenbarkeit sei ein wichtiges Gut. Deshalb plädierte er dafür, die Absenkung bis zum Ende der Legislaturperiode nicht infrage zu stellen.

Der DEHOGA begrüßt, dass die Ministerpräsidenten Mappus und Seehofer sich klar gegen eine Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung auf Übernachtungen ausgesprochen haben. Sie wissen, dass die Hoteliers jetzt dringend Planungssicherheit benötigen. Es ist bedauerlich, dass die Wirtschaftsweisen sich weder mit diesem Aspekt der Planungssicherheit auseinandergesetzt haben, noch in ihrer Betrachtung der Mehrwertsteuersysteme in Europa darauf eingegangen sind, dass in 23 EU-Ländern der reduzierte Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie gilt. Ebenso wurde es unterlassen, auf die steuerliche Benachteiligung von Speiseumsätzen in der Gastronomie einzugehen. Stattdessen zeigt man sich kenntnisreich bei der Besteuerung von getrockneten Schweineohren, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind, und genießbaren Schweineohren. Weiter lässt man sich aus über die Charakter bestimmenden Merkmale von Adventskränzen, die auch maßgeblich den Steuersatz bestimmen.

Quelle: DEHOGA compact 23/10