Gastronomen dürfen nicht zum Spielball der Politik werden - Hygienebarometer ist für Verbraucher nicht hilfreich

Pressemitteilung des DEHOGA Berlin

(Berlin, 13. Oktober 2011) Über die Medien lässt der Bezirk Pankow verlauten, dass er mit der Veröffentlichung der Lebensmittelkontrollen in der Berliner Gastronomie unzufrieden ist und „nochmal nachlegen möchte". 

 

„Zur Zeit macht jeder Bezirk was er will. Fristen und Wiedersprüche werden munter rumgeschoben, die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Spandau und Mitte beteiligen sich an den Veröffentlichungen auf Grund rechtlicher Bedenken gar nicht. Das System verunsichert die Verbraucher und ist undurchsichtig", wird Pankows Stadtrat, Jens-Holger Kirchner, zitiert.

Alle diese Bedenken hat der DEHOGA Berlin stets zum Ausdruck gebracht und vor den Auswirkungen gewarnt. Warum der Bezirk Pankow jetzt an einem neuen System arbeiten will, ist dem DEHOGA Berlin schleierhaft, zeigt doch die derzeitige Situation ganz klar, dass es nur Probleme mit einem emotionalisierenden System gibt. Die vor der Einführung der „Ekel-Listen" und „Farbbarometer" geltenden Vorschriften waren und sind vollkommen ausreichend!

Verbraucherschutz und eine gute Hygienepraxis haben in der Gastronomie oberste Priorität. Jeder Betrieb, der sich nicht an die gesetzlichen Hygienevorschriften hält, schadet der gesamten Branche.

Bei all den Aufsehen erregenden Lebensmittelskandalen der jüngsten Vergangenheit - wie Dioxin, „Gammelfleisch" und EHEC - war die Gastronomie stets Opfer und nie Täter. Die Einführung eines Farbbarometers hat lediglich eine Symbolwirkung. Sie schädigt den Gastronomen, schützt jedoch nicht den Verbraucher. Das System ist ein gefährliches und unverhältnismäßiges Experiment, das zu einer Existenzgefährdung für die Betriebe werden kann:

Momentaufnahme mit langfristiger Wirkung

Das veröffentlichte Ergebnis der Lebensmittelkontrolle stellt lediglich eine Momentaufnahme dar. Gleichzeitig wird dem Unternehmer seitens der Behörden jedoch eine zeitnahe Nachkontrolle verwehrt. Es ist nicht vertretbar, dass ein Betrieb bei einer Kontrolle marginale Mängel aufweist und beispielsweise mit 30 Punkten nur im mittleren Bereich der Farbskala landet (allerdings noch grün) und dieses für ihn schlechte Ergebnis nunmehr monatelang im Empfangsbereich veröffentlicht werden muss. Jede Abweichung von der Bestbewertung und deren Veröffentlichung kann dazu führen, dass den Gästen ein falscher Eindruck vermittelt wird und diese dadurch den Betrieb erst gar nicht betreten.

Verwirrung und wenig Aussagekraft für den Verbraucher

Die farbliche Kennzeichnung besitzt wenig Transparenz, da sie dem Verbraucher keine Auskunft darüber gibt, aufgrund welcher Kriterien und in welchen Betriebsbereichen das finale Kontrollergebnis zustande gekommen ist. Der Verbraucher muss selbst vor jedem Besuch die Angaben des Kontrollbarometers interpretieren. Das Farbbarometer kann sogar zu einer zusätzlichen Verunsicherung beim Verbraucher führen, wenn beispielsweise trotz einer Einstufung im roten Bereich der Betrieb weiter geöffnet ist. Das Ziel eines verbesserten Verbraucherschutzes wird damit konterkariert.

Verstößt gegen die Verfassung und ist unverhältnismäßig

Die Veröffentlichung der Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen in Form eines Farbbarometers stellt alle Restaurants unter Generalverdacht. Sie stigmatisiert den Gastronomen und hat als Kennzeichnung im Eingangsbereich eine Prangerwirkung. Sie stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit und damit in die Grundrechte nach Artikel 12 und 14 dar. Dies bestätigt auch ein im Auftrag des DEHOGA erstelltes Gutachten, wonach eine verfassungsmäßige Rechtfertigung nicht gegeben ist. Die geplanten Regelungen sind insbesondere im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs, die Prangerwirkung und Stigmatisierung der Betreiber, die fehlende Kontrolldichte und die mangelnde Möglichkeit der zeitnahen Rehabilitierung unverhältnismäßig. Auf diese Weise werden definitiv nicht gezielt die „schwarzen Schafe" der Branche bekämpft.

Führt zu Wettbewerbsverzerrungen

Die Gastronomie soll die erste von sieben definierten Betriebsgruppen sein, in denen das Farbbarometer zeitlich gestaffelt eingeführt wird. Es wird mindestens drei Jahre dauern bis alle Bereiche der Lebensmittelversorgung in das Kontrollsystem eingebunden sein werden. Für diesen Zeitraum besteht für das Gastgewerbe eine nicht hinnehmbare Wettbewerbsverzerrung und Ungleichbehandlung. Zudem ist fraglich, ob vor dem Hintergrund der geforderten Kostenneutralität im Bereich der Lebensmittelüberwachung eine Gleichbehandlung aller Lebensmittelunternehmer überhaupt möglich ist. Schon heute gibt es zu wenig Lebensmittelkontrolleure, die Berliner Bezirke haben gar nicht genügend Personal um alle „Vorschriften" zu kontrollieren. Bei den vielen Gewerbeanmeldungen pro Jahr (über 14.000 gastronomische Einrichtungen gibt es derzeit in Berlin!) wird die vorgesehene Neueinstufung des Betriebes bei einem Wechsel des Betreibers mit den gegebenen Strukturen der Lebensmittelüberwachung nicht zu bewältigen sein. 

Das sogenannte Transparenzsystem gefährdet die Existenz unzähliger Betriebe und beschädigt das Image einer gesamten Branche, ohne dass der Verbraucher tatsächlich davon profitiert. Bei gravierenden Verstößen bietet das geltende Recht bereits heute ausreichend Sanktionsmöglichkeiten bis hin zur Betriebsschließung. Dieses Instrumentarium muss im Sinne eines nachhaltigen Verbraucherschutzes voll ausgeschöpft werden.

Verbraucherschutz und eine einwandfrei Hygiene sind für jeden vernünftigen Unternehmer eine selbstverständliche Voraussetzung, um langfristig erfolgreich zu sein. Der DEHOGA Berlin bietet deshalb wertvolle Unterstützung mit qualifizierten und praxisgerechten Informationsprodukten wie z. B. der Hygieneleitlinie, einem Kontrollhandbuch (in Arbeit) und Checklisten zur weiteren Verbesserung der Hygienepraxis. Hygieneschulungen sind darüber hinaus ebenso wertvolle Maßnahmen zur entsprechenden Qualifizierung von Unternehmen und Beschäftigten.

Kontakt:
Thomas Lengfelder
Hauptgeschäftsführer
Hotel- und Gaststättenverband Berlin e.V. (DEHOGA Berlin)
Keithstraße 6, 10787 Berlin
Tel.: 030. 318048-11
Fax: 030. 318048-28
E-Mail: thomas.lengfelder@dehoga-berlin.de
Web: www.dehoga-berlin.de

pdf DEHOGA Berlin PM 03/11 - Hygienebarometer